Grünspecht

Mit dieser erst einmal letzten Ausgabe der Serie unserer Heimatvögel stellen wir einen lachenden Vagabunden vor. Nein, nicht Fred Bertelmann als der „Lachende Vagabund“ der 60er, sondern den Vogel des Jahres 2014: den Grünspecht.

Der Grünspecht ist ein echter Europäer. Mehr als 90 Prozent seines weltweiten Verbreitungsgebietes befinden sich in Europa. Sein Bestand wird hier auf rund 860.000 Brutpaare geschätzt. Den Gesang des Standvogels kann man das ganze Jahr über hören, ein dynamisches, meist mehrsilbig-gellendes Lachen: „kjückkjückkjück“.
Wegen seiner roten Kappe und der schwarzen Augenmaske wird er oft der „Specht mit der Räubermaske“ oder auch mal „Zorro“ genannt.

Ab dem zeitigen Frühjahr ist er ameisensammelnd auf Wiesen zu beobachten. Seine Lieblingsspeise sind deren Eier, für die er die kleinen Erdhügel der Ameisennester mit seinem spitzen Schnabel auseinander nimmt. Kein anderer Specht hat sich so auf Ameisen spezialisiert wie der Grünspecht. Dazu kann er seine lange Zunge zehn Zentimeter vorstrecken. Mit diesem hochempfindlichen Tastorgan, dringt er in die Ameisengänge ein. Gefundene Ameisen und deren Larven und Puppen bleiben an ihr kleben. Die Zungenspitze ist zudem mit Widerhaken besetzt. Sie merken sich sogar die unter Schnee versteckte Ameisennester und suchen sie mehrfach auf, selbst wenn sie dazu Tunnel durch den Schnee graben müssen.

Alte Bäume braucht der Grünspecht unbedingt. Sie müssen einen ausreichend dicken Stamm haben und weiche Stellen, in denen er seine Höhlen anlegen kann. Grünspechte beginnen oft mit dem Bau mehrerer Höhlen. Erst wenn in späteren Jahren der Höhleneingang ein wenig angefault ist, wird eine solcher „Rohbau“ fertig gestellt und bezogen. Männchen und Weibchen bauen die Höhle gemeinsam – ein Ritual, das das Pärchen saisonal aneinander bindet. Allerdings wird nicht jedes Jahr neu gebaut. Oft genügt die Schlafhöhle aus dem vorausgegangenen Winter.

Über nichtbenutzte Höhlen freuen sich Meisen, Stare, Kleiber oder Gartenrotschwänze. Aber auch Fledermäuse, Siebenschläfer und Hornissen sind für solche Quartiere dankbar.
Die Vögel bilden vermutlich Saison-Ehen. Mehrjährige Paargemeinschaften werden von Vogelkundlern nicht ausgeschlossen. Auf eine dünne Schicht Holzspäne legt das Weibchen zwischen April und Mai fünf bis acht weiße Eier. Männchen und Weibchen wechseln sich beim Brüten ab. Nach zwei bis zweieinhalb Wochen schlüpfen die Jungen und werden nach weiteren drei bis vier Wochen flügge. Nach dem Ausfliegen werden sie noch einige Wochen gefüttert. Bei gemeinsamer Nahrungssuche lernen die Jungvögel sich zu ernähren. Interessant ist, dass Jungvögel nach dem Ausfliegen oft direkt am Stamm in die Rinde gekrallt übernachten.
Nach nicht ganz einem Jahr sind Grünspechte geschlechtsreif und brüten bereits im Folgejahr selbst.

Gefährdet ist der Grünspecht als Spezialist für lebende Ameisen in strengen Wintern und bei hohen Schneelagen.

Weil er sich so geschickt am Boden bewegt, wird er oft „Erdspecht“ genannt, obwohl er ein ausgezeichneter Segler ist, der seinen Höhlenbaum geschickt im Flug umkreist. Am zeitigen Morgen suchen Grünspechte, kurz nach Sonnenaufgang, freie Flächen (Wiesen und Weiden mit lockerem Oberboden auf, um mit ihren langen Schnäbeln gezielt nach Ameisen zu bohren.
Im Volksglauben gilt der Grünspecht (gemeinsam mit dem Schwarzspecht) als „Regenvogel“, weil ihre Lockrufe häufig die ersten Frühjahrsregen ankündigten (den Regen bringen meist die ersten Warmfronten in dieser Jahreszeit). Im übertragenen Sinne wird der Begriff „Grünspecht“ gern gegenüber naseweisen Halbwüchsigen benutzt. Mit Beginn des 18. Jahrhundert erweiterte sich die Bezeichnung auf Förster oder Jäger und seit Beginn des 20. Jahrhunderts auch auf einen Polizeibeamten.

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