Misteldrossel

„Vom Eise befreit sind Strom und Bäche…“

Auch rechts und links am Ufer unseres Eschringer Bachs zeigt sich zartes Grün. Der Vorfrühling ist nun bald da und schon hören wir das erste vorsichtige Zwitschern unserer Singvögel. An sonnigen Tagen erklingt sogar schon der klare, flötende Gesang der Misteldrossel.

Noch ist ihr Gesang vielleicht nur vereinzelt zu hören, denn Misteldrosseln unterscheiden sich in ihrem Zugverhalten voneinander sehr. Einige bleiben sogar ganz den Winter über bei uns in ihrer Brutheimat und ziehen überhaupt nicht fort. Andere wiederum wählen den kürzesten Weg in wärmere Gefilde und überwintern z.B. in Südfrankreich.

Ja, die Misteln…

Ohne diesen Früh-Heimkehrer aus den wärmeren Regionen würden wir sehr viel weniger unserer um Weihnachten so beliebten Schmarotzerpflanze in unseren Obstbäumen, Eichen und anderen Laubgehölzen finden. Der Grund: Die weißen, klebrigen Beeren der Misteln gehören zur Lieblingsspeise der Misteldrosseln. Die Kerne der Mistelbeeren werden mit dem Kot von einem Baum zum nächsten weiter getragen. Mistelsamen keimen grundsätzlich nur, wenn sie zuvor „durch den Vogel“ gegangen sind. Misteldrosseln lieben die Beeren sehr. Im Winter kommt es vor, dass die Drossel „ihre“ Misteln tragenden Bäume heftig gegen andere Vögel verteidigt. Nach dieser Lieblingsspeise haben sie auch ihren Namen. Die weitere Nahrung der Misteldrossel besteht aus anderen Beeren, Obst, Weichtieren, Insekten und Insektenlarven; im Sommer fressen sie gerne Kirschen, in der Hauptsache jedoch Regenwürmer.

Scheu aber aufmerksam…

Der scheue, aber aufmerksame Vogel ist um einiges größer als die bekanntere Singdrossel. Ausgewachsen wird die Misteldrossel bis zu 28 cm groß, die Singdrossel begnügt sich mit 22 cm. Unsere Misteldrossel hat auch nicht ein so braunes Gefieder wie die Singdrossel, wirkt eher grau und ist an der Bauchseite stark gefleckt.

Die Misteldrossel bevorzugt halboffene Naturräume mit hohen Bäumen oder lichten Wald. Ursprünglich war die Misteldrossel sogar ein ausgesprochener Waldvogel. Mit dem Rückgang der Waldlandschaft wählt sie auch andere Reviere, bleibt aber im Gegensatz zu anderen Drosseln oder Amseln vornehmlich in den Randlagen kleiner Ortschaften oder der Stadt. In unseren aufgeräumten Wohngärten sind sie selten. Manchmal aber kommt sie in ländlich strukturierten Gebieten zahlreicher vor als die Singdrossel.

Früher Vogel fängt den Fisch…

Womit nicht die Nahrung der Misteldrosseln gemeint ist, sondern ihr zeitiges Brutgeschäft. Bevor sie mit dem Nestbau anfangen, gibt es oft heftigen Streit mit den Amseln – das berichten zumindest Vogelfreunde, die Misteldrosseln beim Nestbau beobachten haben. Nach ihren Berichten beginnen die Misteldrosseln erst mit dem Nestbau, nachdem sie sämtliche Amseln vertrieben haben.

Die fleißigen Weibchen…

Das Weibchen wählt den Nistplatz aus. Am liebsten wird das Nest in einer Astgabel gebaut (Höhe zwischen 60 cm bis zu 20 Metern). Über 14 Tage lang kann der Nestbau dauern. Die Arbeit obliegt dem Weibchen. Als Nestmaterial dient alles was weich und transportierbar ist: Stroh, Heu, kleine Zweige, sogar Plastikfolie. Das fertige Nest ähnelt einem verhältnismäßig großen, umfangreichen Napf. Die Nistmulde wird mit feinem Gras gepolstert.
In der Regel legen Misteldrosseln bis zu vier Eier. In unseren Breiten kann das schon Ende Februar geschehen. Die Vögel reagieren einfach rascher auf steigende Temperaturen als z.B. Amseln oder die Singdrosseln. Jeden Tag kommt ein zusätzliches Ei ins Nest, das Brutgeschäft beginnt meist erst, wenn das Gelege vollzählig ist. Zwischen 13-15 Tage dauert es, dann schlüpfen die Jungen, die danach für weitere 14 oder 15 Tage das Nest hüten. Nachdem sie flügge sind werden die Jungen noch ca. weitere 12-15 Tage von den Eltern gefüttert.

Der Nachwuchs…

Junge Misteldrosseln werden bereits im ersten Lebensjahr geschlechtsreif. Bei einzelnen Vögeln, die bei uns überwintert haben, beginnt die Paarbildung und Balz bereits im Winter. Ihr Revier gründen sie im zeitigen Februar, bei heimkehrenden Zugvögeln unmittelbar nach der Rückkehr.
Eine Gefahr für den Nachwuchs sind einbrechende Fröste – obwohl Minustemperaturen bis zu 20 Grad für Altvögel keine große Gefahr darstellen. Die tiefen Temperaturen oder auch starke Schneefälle gefährden jedoch die Gelege.
Zu den Raubfeinden der Misteldrossel zählen Sperber, Wespenbussarde, Waldkauz, Waldohreule, Uhu und Rotmilan.
Wenn wir uns vor Weihnachten wieder über ein reiches Angebot an Mistelzweigen freuen, sollten wir unserer Misteldrossel dankbar sein.

foto: NABU / Helge May