Haussperling

Lieber den Spatz in der Hand als die Taube auf dem Dach – der kleine uns allen vertraute Vogel als Synonym für die früher viel weiter als heute verbreitete bescheidene Denkweise. Mit dem Sesshaftwerden der Ackerbauern vor etwa 10.000 Jahren hat sich der Sperling als „Kulturfolger“ den Menschen damals schon angeschlossen.
Seltene Fossilienfunde lassen die Gemeinschaft mit menschlichen Ansiedlungen aber bereits vor 400.000 Jahren vermuten. Der „Ur-Sperling“ breitete sich sowohl west- als auch ostwärts im Steppengürtel Eurasiens aus. Während der Eiszeit wurden einzelne Kolonien durch den Vorstoß und Rückgang der Gletscher periodisch isoliert, wodurch sich vermutlich die heutigen (regional leicht unterschiedlichen) Arten herausbildeten. Seit dem frühen 19. Jahrhundert hat sich der Haussperling fast über den gesamten Globus verbreitet und gilt als eine der am weitesten vertretenen Arten.
Der kräftige, etwas gedrungene Singvogel wiegt ungefähr 30 Gramm und ist mit etwa 16 Zentimeter nur ein wenig größer als der nahe verwandte Feldsperling. Sein Kopf ist auffallend groß, sein Schnabel kräftig und konisch. Mit seinen 71 bis 82 Millimeter langen Flügeln kommt er auf eine Spannweite von etwa 23 Zentimeter.
Die Weibchen sind unscheinbarer als die Männchen, aber in ihrem matt-braunen Federkleid fein gezeichnet. Die Oberseite ist hell graubraun, der Rücken schwarzbraun und gelbbraun gestreift. Am graubraunen Kopf haben sie über den Augen einen hellen Streif. Jungvögel sehen wie Weibchen aus und haben, nachdem sie flügge geworden sind, einige Tage am Schnabel gelbliche Wülste.
Die Nahrung besteht hauptsächlich aus Samen, vor allem Samen kultivierter Getreidearten Weizen, Hafer, Gerste. Regional wird der Speiseplan mit Samen von Wildgräsern bereichert. Im Frühjahr und Sommer kommen bis zu 30 Prozent tierische Nahrung (Insekten, Larven) hinzu und – nicht zu vergessen: alles was Menschen an Imbissständen oder Straßencafés fallen lassen.
Haussperlinge bevorzugen die Gruppenbalz. Dazu verfolgen mehrere Männchen rasant und lärmend ein Weibchen, manchmal bis zu acht Stück. Dabei wird das Weibchen von den balzenden Männchen attackiert, um seine „Liebesbereitschaft“ zu erhöhen. Mit heftigem Tschilpen lassen sie jede Vorsicht vermissen. Selten kommt es aber dabei bereits zur Kopulation. Das mit dem Weibchen eigentlich verpaarte Männchen beteiligt sich an diesem Spiel.

Mit seiner Neigung zu gemeinschaftlichem Brüten werden die Nester in lockeren Verbänden oder Kolonien angelegt, wobei die Nester meist einen Mindestabstand von 50 Zentimetern haben. Die vielfältige Nutzung aller geeigneten Strukturen als Neststandort (Spatzen sind Nischen-, Höhlen- und Freibrüter) sind bezeichnend für seine besondere Anpassungsfähigkeit. Typische Nistplätze sind geschützte Hohlräume an oder in der Nähe von Gebäuden, unter losen Dachpfannen, in Mauerlöchern oder Nischen unter einem Vordach. Nistkästen, Schwalbennester oder Spechthöhlen werden nicht verschmäht.
Das Nest wird meist vom Männchen während der Balz begonnen, in unseren Breiten frühestens ab Mitte März. Wird ein neues Nest angelegt, tragen besonders Erstbrüter scheinbar ziellos Nistmaterial umher. Kurz vor Legebeginn vollenden beide Partner dann das Nest gemeinsam.
Während der Brutzeit erleiden die Altvögel die größten Verluste (45 bis 56 Prozent). Auf dem Land durch Steinmarder, Katzen, Sperber, Schleiereulen und Turmfalken. Dabei sind die deutlicher gefärbten Männchen mit ihrem ausgeprägten Kehlfleck häufiger das Opfer von Greifvögeln. Hauptprädator aber ist der Sperber. In der Stadt werden die Vögel oft Opfer des Straßenverkehrs.
Als Schädling galt der Haussperling früher wegen seiner Vorliebe für Körner. Weil er damals zahlreicher war als heute, hat Friedrich der Große z.B. im 18. Jahrhundert ein Kopfgeld auf Spatzen ausgesetzt. Das führte jedoch zu einer starken Dezimierung mit entsprechender Ausbreitung schädlicher Insekten; weshalb dieses Kopfgeld bald wieder abgeschafft wurde.
Weil man Spatzen bei der Winterfütterung als Futterkonkurrenten ansah, hat noch im Jahr 1965 der Deutsche Vogelschutz Bund (DBV) Futterhäuschen angeboten, die als „Kontraspatz“ oder „Spatznit“ bezeichnet wurden.
Auch heute noch findet sich der Spatz in einem „Lexikon der Schädlinge“, weil er angeblich in Großküchen oder Lebensmittelmärkten Krankheiten verbreiten soll.
Ihr Paarungsverhalten, das oft direkt vor den Augen der Menschen unter heftigen Geräuschen stattfindet, brachte ihnen im Mittelalter den Ruf der Unkeuschheit ein. Angesichts der Häufigkeit der Begattungen glaubte man, dass Spatzen demzufolge höchstens ein Jahr leben könnten.
In gleichem Zusammenhang ist wohl auch der Glaube zu sehen, dass Spatzenfleisch den Liebesdrang steigere und zur Unzucht ansporne. Im alten Rom und noch früher, im Griechenland der Antike, gab es ähnlichen Aberglauben.
Die enge Gemeinschaft mit den Menschen hat zahlreiche sprichwörtliche Redensarten hervorgebracht, z.B.
Ein Spatzenhirn haben
Die Spatzen pfeifen es von den Dächern
Mit Kanonen auf Spatzen schießen
Dreckspatz

Betrachten wir diese und weitere Sprichwörter als vermutlich liebenswürdige Beschreibungen höchst menschlicher Eigenschaften und menschlichen Verhaltens.

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